Weekly Wisdom

Von wo schaust du

auf die Welt?

Der Standort bestimmt den Standpunkt?

Psychologie, Biologie und Soziologie haben interessante Antworten.

 

von | Jan. 24, 2025

Nurture versus Nature?
Der Ausdruck „Nurture versus Nature“ bezieht sich auf eine Debatte in der Psychologie, Genetik und Soziologie. Diese untersucht, ob menschliches Verhalten, Kompetenzen und Eigenschaften eher durch angeborene biologische Faktoren (nature) oder durch Umwelteinflüsse und Erziehung (nurture) bestimmt werden. 
Aktueller Stand der Wissenschaft ist, dass sowohl Umweltfaktoren als auch biologische Komponenten gemeinsam den Mensch und seine Entwicklung beeinflussen. Beide Faktoren interagieren und können sich wechselseitig verstärken oder abschwächen. Es ist ein komplexer, eng verwobener Prozess, der Fokus liegt aktuell auf der Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen biologischen und Umweltfaktoren.
Wir leben in einer Bubble.
Oder manchmal auch in mehreren. Aber war das nicht schon immer so? Ja, metaphorisch gesprochen leben die Menschen schon immer in sozialen, kommunikativen, kulturellen und ideologischen Blasen. Schon in früheren Gesellschaften haben sich Menschen in Gruppen mit ähnlichen Überzeugungen, Werten und Lebensweisen organisiert. Diese „Bubbles“ entstanden durch geografische Isolation, unterschiedliche Sprachen oder soziale Strukturen. Der Begriff „The Filter Bubble“ wurde von Eli Pariser geprägt und in seinem gleichnamigen Buch aus dem Jahr 2011 beschrieben. Was sich also verändert hat, ist, dass wir uns, obwohl nicht mehr örtlich gebunden, immer mehr in virtuell geschlossenen Räumen bewegen. Dadurch kommen wichtige, interessante, neue Informationen oft nicht bei uns an. Es entstehen Echokammern, sowohl in virtuellen als auch analogen Gruppen, in denen die bereits vorhandene Einstellung laufend durch andere Teilnehmer bestätigt wird. Dadurch entwickelt sich der Eindruck, dass unsere Meinung die einzig Relevante ist und von fast allen geteilt wird. Das mag manchmal zutreffen, in vielen Fällen jedoch nicht, da nur ein kleiner Ausschnitt der Gesellschaft gezeigt wird.
Die Standort-Theorie : Der Standort bestimmt den Standpunkt.
Wo wir uns befinden, an welchem Ort, in welcher virtuellen Bubble, woher wir kommen und was wir mitbringen beeinflusst also unsere Wahrnehmung. Wenn wir uns vorstellen, wir befinden uns in unserem Lieblingscafé. Es gibt sehr unterschiedliche Plätze, die wir einnehmen können – den Eckplatz, den Platz an der Bar, den Platz neben der Tür, den Mitten im Raum, den an der Wand. Wo auch immer wir sitzen, unsere Perspektive und Wahrnehmung des Geschehens wird dadurch massiv beeinflusst. So banal diese Visualisierung auch klingt, wird dennoch nicht genug darauf geachtet. Unsere Position hat Bedeutung dafür, was wir wahrnehmen und wie wir uns dabei fühlen. In „Die feinen Unterschiede“, „Der soziale Sinn“ beispielsweise beschreibt Pierre Bourdieu die Wechselwirkung zwischen sozialer Position und individueller Perspektive. 
Bedeutung im Alltag.
Kaum ein Bereich, der nicht davon betroffen ist. Ob Schule, Politik, private Beziehung, im unternehmerischen Kontext – ein Bewusstmachen der Wurzeln eigenen Position und der Position meines Gegenübers ist grundsätzlich von Bedeutung. Welche Sicht wir auf beispielsweise auf das politische Programm einer Partei haben oder wie wir zum Thema Mobbing stehen, hat zu einem guten Teil mit unserer Persönlichkeit und unserer Position im jeweiligen System zu tun. Dass wir alle geprägt durch unsere Genetik und unsere Sozialisierung durchs Leben gehen, ist Faktum und beeinflusst unsere Sicht auf die Welt. Wir filtern durch unsere Erfahrungen, unsere Persönlichkeit, unsere Position in der Gesellschaft. 
Sensibilisierung für die Thematik – wozu?
Die positiven Potenziale durch eine Sensibilisierung und das Schaffen eines Bewusstseins für die beschriebene Thematik sind individuell und gesellschaftlich groß. Verständnis für andere Sichtweisen, Empathie für andere Menschen, die Erweiterung unserer eigenen Perspektiven bringen uns alle gemeinsam weiter und können positive Veränderungen anstoßen. 
 

Quelle:

Pariser, Eli: The Filter Bubble (2011)

Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede (1979)