Weekly Wisdom

Good Vibes Only!? 

Was der Unterschied zwischen Positiver Psychologie und Toxischer Positivität ist und wie sich ein Zuviel an positivem Denken negativ auswirken kann.

1.375 Wörter / 7 Minuten Lesezeit

von | März 7, 2025

Positiv denken ist nicht gleich Positive Psychologie.

Wenn man aktuell die Nachrichten weltweit verfolgt, möchte man die Zeitung am liebsten sofort wieder zuschlagen oder zu den Mode- und Sportseiten weiterblättern. Immer wieder hört man in Gesprächen Sätze wie „Da muss du einfach positiv denken.“ , „Stell dich nicht so an, anderen geht es viel schlechter als dir.“, das Mantra „Good Vibes Only“ oder als Krönung sozusagen der Klassiker „Alles wird gut!“. Doch sind solche Aussagen tatsächlich hilfreich?

Wir kennen sie alle, diese Art von Sprüchen und Kommentaren. Hilfreich sind diese in den allermeisten Fällen nicht. Manchmal wird ganz einfach nicht mehr alles gut. Und wenn man gerade eine belastende Situationen durchmacht, empfindet man vielfältige Emotionen, aber in dem Moment eben keine positiven. Man empfindet Sätze wie „Alles wird gut!“ eher als Provokation denn als unterstützend.

Im Gegensatz dazu ist das Konzept der Positiven Psychologie ein wissenschaftlich fundierter Ansatz, der nicht nur positive Emotionen fördert, sondern auch die Bedeutung von Akzeptanz und Resilienz gegenüber negativen Erfahrungen betont. Die Positive Psychologie erkennt die Bedeutung von Realismus, Akzeptanz von positiven, aber auch negativen Gefühlen und die Möglichkeit der Weiterentwicklung im Rahmen von Herausforderungen, während die Einstellung „Du musst einfach positiv denken, dann wird alles gut.“ oft eine oberflächliche Lösung für komplexe Probleme bedeutet. 

Toxischer Positivität: wenn „immer positiv denken“ negative Folgen hat.

Realitätsverweigerung, Dinge unter den Teppich kehren, Probleme weglächeln sind beliebte Strategien, mit Herausforderungen umzugehen, vergrößern jedoch oft die Probleme und bringen keine nachhaltigen Lösungen. Wenn es ein Zuviel und krampfhaftes Festhalten an positivem Denken ist, kann es negative Folgen haben.

Unter toxischer Positivität oder Toxic Positivity versteht man beschreibt die übertriebene oder absolute Fixierung auf positives Denken, bei der negative Emotionen unterdrückt oder abgewertet werden. Dabei wird die Message kommuniziert, dass Menschen immer glücklich, optimistisch und gut gelaunt sein sollten – unabhängig von den tatsächlichen Umständen. Wer sich unglücklich fühlt, ist selber schuld, zugespitzt ausgedrückt. Die Kernaussage ist, man muss sich nur für das Glück entscheiden und trägt die Verantwortung dafür. 

Dabei wird vernachlässigt, dass es Herausforderung und Krisen gibt, die traurig oder ängstlich machen und nicht einfach mit einer Änderung des Mindsets verschwinden. Oft werden reale Probleme dadurch nur verdrängt, überdeckt oder verschoben und Lösungsmöglichkeiten verpasst und verhindert. Es ist zudem wichtig, anzuerkennen, dass es völlig ok ist, sich nicht gut zu fühlen.  Verständnis dafür und Unterstützung sind essenziell. 

Wie gehen wir damit um? Vieles im Leben können wir aktiv gestalten und unsere innere Einstellung hat große Auswirkungen auf unser Wohlbefinden, unser Glück und unsere Gesundheit. Eine optimale Balance zu finden zwischen positiver Grundhaltung auf der einen Seite und adäquater Auseinandersetzung mit negativen Inhalten kann eine gute Option sein.

Quellen:

Csikszentmihalyi, Mihaly (2007): Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta.

Hüther, Gerald (2011): Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Muntermacher. Frankfurt am Main: Fischer Verlag

Hüther, Gerald (2016): Mit Freude lernen – ein Leben lang. Weshalb wir ein neues Verständnis vom Lernen brauchen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Roth, Gerhard / Strüber, Nicole (2019): Wie das Gehirn die Seele macht. Stuttgart: Klett-Cotta.

Seligman, Martin (2015): Wie wir aufblühen. Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens. München: Wilhelm Goldmann Verlag.

 

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Weekly Wisdom

Kognitive Verzerrungen / Cognitive Bias:

Was man darunter versteht, welche man kennen sollte und wie sie unsere Wahrnehmung, unser Denken und unser Verhalten beeinflussen.

 

678  Wörter / 4 Minuten Lesezeit

von | März 7, 2025

Wer weiß es besser? Aus dem Alltag.
Die Diskussion ist gewohnt angeregt. Das aktuelle Thema liegt im Bereich „Allgemeines“, niemand der anwesenden Diskutanten bringt besondere Fachkompetenzen oder intensive berufliche Erfahrungen im Themenfeld mit. Zwei aus der Runde nehmen mit vollster Überzeugung gegensätzliche Positionen ein und verteidigen diese hitzig. Beide sind absolut davon überzeugt, die Situation richtig einzuschätzen und beharren auf ihrem Standpunkt. Die Emotionen gehen hoch, die Diskussionskultur ist schwierig. Wer liegt richtig? Oder liegt eventuell keiner der beiden richtig? Oder beide in Teilbereichen? 
Für die psychologischen Prozesse dahinter gibt es einige Erklärungen. 
Was versteht man unter Kognitiven Verzerrungen?
Kognitive Verzerrungen oder Cognitive Bias ist ein Begriff aus der kognitiven Psychologie (lat. cognoscere: wissen, wahrnehmen).  Generell geht es in diesem wichtigen Bereich der Psychologie um mentale Prozesse wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken, Sprache und Entscheidungsfindung. Der Fokus liegt darauf, wie Menschen Informationen wahrnehmen, verarbeiten, speichern und anwenden.

Kognitive Verzerrungen sind systematische Denkfehler, die unbewusst und automatisch ablaufen. Sie verzerren unsere Wahrnehmung der Realität, unsere Beurteilungen der Situation und unser Entscheidungen. Verstärkt treten sie unter Stress, Müdigkeit oder Unsicherheit auf, aber nicht nur dann.

Welche sollte man kennen und warum?
Laut John Manoogian III beispielsweise gibt es über 180 (!) kognitive Verzerrungen, bekannt als der Cognitive Bias Codex. Es handelt sich dabei um eine visuelle Darstellung in Form eines Kreisdiagramms, die unterschiedlichste Cognitive Biases kategorisiert und organisiert. Welche sind besonders weit verbreitet? Confirmation Bias, Status Quo Bias, Groupthink, False Memory Bias, Overthinking sind nur einige davon. Im oben genannten Beispiel könnten der Overconfidence Bias (Selbstüberschätzung) oder der Dunning-Kruger-Effekt relevant sein. Overconfidence Bias besagt, dass Menschen dazu neigen dazu, ihr eigenes Wissen oder ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Beim Dunning-Kruger-Effekt (Unwissenheit in Kombination mit Selbstüberschätzung) steht im Mittelpunkt, dass Menschen mit geringem Wissen oder Kompetenz in einem Bereich ihre Fähigkeiten überschätzen, während Experten ihre eigene Kompetenz oft unterschätzen. Auch Dogmatismus könnte in Frage kommen, d.h. ein starres Festhalten an eigenen Überzeugungen und dem eigenen Weltbild. Die persönliche Perspektive kann nicht hinterfragt werden.

Warum macht es Sinn, über kognitive Verzerrung Bescheid zu wissen?

Die Relevanz von Cognitive Biases für unseren Alltag ist hoch. Wer über kognitive Verzerrungen informiert ist, kann die eigene Wahrnehmung bewusster gestalten, bessere Entscheidungen treffen und Manipulationen durch andere erkennen. Kommunikation gelingt besser, in Konflikten kann die Lösung leichter gelingen.  

 

Quelle:

Kahnemann, Daniel: Schnelles Denken, langsames Denken (2011)

Manoogian, John: Cognitive Bias Codex 

Watzlawick, Paul: Wie wirklich ist die Wirklichkeit. (1976)

David Robson: The Intelligence Trap (2019)